Aktuelles

Nachdenkliches zum Ukrainekrieg

‚Doch die Liebe lacht am Ende der Welt‘ (T. Merton)

Viele von uns empfinden eine tiefe Traurigkeit über den Krieg und dem damit einhergehenden Leiden. Es besteht zunehmend die Gefahr einer Polarisierung, die das Leiden verstärkt.  Im Dhammapada heißt es „Hass kann nicht durch Hass überwunden werden“.

Sangharakshitas Antwort ist revolutionär und herausfordernd:

‚I believe that humanity is basically one. I believe that it is possible for any human being to  communicate with any other human being, to feel for any other human being, to be friend with any other human being.  This is what I truly and deeply believe. This believe is part of my own experience. It is part of my own life. It is part of me. I cannot live without this belief, and I would rather die than give up. To me to live means to practice this belief.‘

‚Ich glaube, dass die Menschheit grundsätzlich eine ist. Ich glaube, dass es für jedes menschliche Wesen möglich ist, mit anderen menschlichen Wesen zu kommunizieren, mit jedem anderen menschlichen Wesen zu fühlen und ein Freund von jedem Menschen zu sein. Das ist wirklich mein tiefer Glaube. Dieser Glaube ist Teil meiner eigenen Erfahrung. Er ist Teil meines eigenen Lebens. Er ist ein Teil von mir. Ohne diesen Glauben kann ich nicht leben und würde eher sterben, als ihn aufzugeben. Zu leben bedeutet für mich, diesen Glauben auszuüben.‘

Spannend ist dabei die Frage, wie kann ich praktizieren, üben, mich dieser Haltung annähern, ohne einem blauäugigen Idealismus zu verfallen, der zwangsläufig in Enttäuschung enden wird.  Die  Menschen sind nicht so, wie ich sie gerne hätte, das sind Erwartungen, die an der Realität vorbeigehen.

Aber wie kann ich trotzdem offenbleiben und nicht verurteilen, wie kann ich diese innere Spannung halten und aushalten ?

Juni 2022   Upekshalila

 

Urgyen Sangharakshita 26.08.1925 – 30.10.2018

Am Montag, den 30.10.2018 verstarb Urgyen Sangharakshita an den Folgen einer Lungenentzündung. Er hat 1967 den Orden Westlicher Buddhistischer Orden gegründet, der heute den Namen Triratna (Drei Juwelen) trägt. In diesen 51 Jahren sind in der ganzen Welt, besonders in Indien, buddhistische Zentren entstanden. Samstag, den 9. November wurde er mit einer bewegenden Zeremonie in Adhisthana beerdigt.

Mehr als 1200 Ordensmitglieder, Mitras, Freunde und Angehörige waren in strömendem Regen gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Schon in den Tagen davor, als er aufgebettet war, hatte ein ständiger Strom von Besuchern mit dem Rezitieren von Mantras und mit Meditationen von ihm Abschied genommen. Bhante (Lehrer/ Meister) – wie ihn seine Anhänger nennen- hatte sich bereits 2011 für seine Beerdigung zwei Musikstücke gewünscht, von Richard Strauss „Abendrot“, gesungen von Elisabeth Schwarzkopf, eine Vertonung des Gedichtes von Joseph von Eichendorff und von Jeremiah Clarke „Trumpet Voluntary“. Er hatte dazu geschrieben: „If my consciousness is hovering round, I shall certainly listen. „

Nach der Musik begrüßte Saddhanandi in der riesigen, offenen Scheune die Gäste und in diesem Augenblick kam die Sonne heraus und ein Vogel zwitscherte so schön, dass wir erst dachten, es sei Teil der vorangegangenen Musik. Aber er sang leibhaftig, hier in Adhisthana, dem Ort, an dem Bhante in den letzten fünf Jahren gelebt hat, von denen, wie er sagte, das letzte Jahr das schönste seines Lebens gewesen sei, in dem er so vielen Menschen von Triratna begegnet ist.

Adhisthana liegt in Herefordshire, England und ist das Zentrum, das Herzstück des Ordens. Das Wort Adhisthana bedeutet Bodenständigkeit, Segnung und Dankbarkeit. Besonders berührend war der Beitrag in der Feier von Subhuti. Er erzählt, wie sich das Bild von Sangharakshita ihm eingeprägt hat, damals noch ein völlig Fremder für ihn- als er ihn durch den Hydepark gehen sah. Ein Jahr später (1969) begann die Freundschaft, Bhante wurde sein Präzeptor. Die Begegnung mit ihm hat sein Leben komplett verändert. Bhantes Persönlichkeit lässt sich kaum beschreiben; er war unkonventionell und herausfordernd.

Zur Ordensgründung sagt Bhante selbst, dass er wohl nicht der Geeignetste dazu war, aber die Zeit war reif für einen neuen Orden im Westen. Bis zu der Gründung wurde im Westen der Buddhismus weitgehend goutiert, aber nicht praktiziert und in Indien war der Buddhismus in einer armseligen Verfassung. Bereits vor 18 Jahren hat Sangharakshita alle seine Aufgaben im Orden an das College öffentlicher Präzeptoren abgegeben, die seither mit ihm im Hintergrund seine Arbeit erfolgreich fortgesetzt haben.

Vor sechs Jahren, im Alter von 88 Jahren ist er noch einmal umgezogen von Birmingham nach Adhisthana, keine leichte Sache in diesem Alter. Auch seine umfangreiche Bibliothek hat dort einen angemessenen Platz gefunden. Umgeben von einem herrlichen Garten und weiten Wiesen mit uralten Eichen ist dort nun auch der Platz für sein Grab, inmitten eines Rondells, bepflanzt mit weissen Blumen und Pflanzen.

Dhammadinna hatte Bhante im Alter von 24 Jahren getroffen, er hatte damals langes Haar und wohnte in einer Hippie-Kommune. Sie erinnert sich, wie er ihr erzählte, dass er die ganze Nacht den Mond angeschaut hatte. Er war ein guter Zuhörer, freundlich und unterstützend, er sprach nicht über Wahrheit sondern verkörperte sie.

Amoghasiddhi aus Indien, seit 1990 ordiniert, beschreibt Bhantes Verdienste nach dem Tod von Dr. Ambedkar. Sangharakshita war der einzige Lehrer, der wusste, was zu tun war. Er hielt zahlreiche Reden vor tausenden von Zuhörern und deshalb haben viele Inder ihn heute noch im Herzen und große Hochachtung vor ihm, auch wenn sie ihn nie persönlich getroffen haben. Es ist die einfache und tiefe Art, in der Sangharakshita den Buddhismus vermittelt hat. Das Leben vieler InderInnen ist durch den Buddhismus geändert worden und sie sind voller Dankbarkeit. Das Bodhisattva-Gelübde hat ihn getragen; dazu schreibt Sangharakshita selbst:

“ Bodhicitta ist der Wille zur Erleuchtung, aber es ist nicht ein individueller Wille, das ist nur am Anfang so. Hinter diesem individuellen Willen ist eine Offenheit, und es ist so, als würde der Strom der Erleuchtung das Denken und Handeln übernehmen. Du bist nicht länger „du“, etwas Höheres arbeitet durch dich und wirkt in dir zur Erleuchtung aller Wesen“.

Der Sarg wird aus der Scheune zum Rondell im Garten getragen, Mantras werden rezitiert und wieder kommt die Sonne heraus. Das Dhammapalam Gatha wird gesprochen, ebenso das wunderbare Gedicht von Bhante über den Abschied von den Elementen: Erde, Wasser, Feuer ,Luft, Raum und Bewusstsein. Als der Sarg abgesenkt wird, erscheint ein Regenbogen über der Bibliothek.

Buddhismus und Islam – Myanmar

In einem der letzten Artikel, die Urygen Sangharakshita im August 2018, zweieinhalb Monate vor seinem Tod, in einem internen Papier veröffentlicht hat, geht er ein weiteres Mal auf die Situation in Myanmar ein.
„Als Buddhist bin ich absolut gegen jegliche Unterstützung von Gewalt und Diskriminierung im Namen des Buddhismus in Myanmar und anderswo in der Welt.“ So lautet der erste Satz eines Statements, das Urygen Sangharakshita am 19.9.2017 abgegeben hat. Er stellt klar, dass es für eine solche Gewalt keinerlei buddhistische Rechtfertigung geben kann:

„Sich an Gewalt zu beteiligen oder dazu anzustiften, die durch Hass und Vorurteile motiviert ist, richtet sich gegen die Lehre des Buddha und ist ein fundamentaler Bruch mit den buddhistischen ethischen Prinzipien, die das Gelübde der Ordensregeln umfassen.“

Besonders geschockt hat ihn, dass buddhistische Mönche zu Gewalt aufgerufen haben und sogar selbst gewalttätig geworden sind. Natürlich gab es Rechtfertigungen und manche der Täter konstruierten eine Geschichte, derzufolge der Islam verantwortlich gemacht wurde für das Verschwinden des Buddhismus aus Indien und dass er heute die buddhistischen Länder in Süd-Ost Asien bedrohen würde.
Sangharakshita schreibt weiter, wie er Gemeinsamkeiten zwischen dem buddhistischen Ideal von spiritueller Freundschaft mit dem islamischen Ideal von Brüderlichkeit entdeckt hatte und welch tiefes Mitgefühl er empfand, als die Dschihadisten am 11. September 2001 die Twin Towers in New York bombardierten; noch heute verfolgen ihn die Bilder der Menschen, die sich aus dem Fenster in den Tod gestürzt hatten.
Dadurch wurde das Verhältnis des Westen zum Islam für viele Jahre grundlegend beeinträchtigt.
Eine hoffnungsvollere Perspektive eröffnete ihm ein Buch von Reza Shah-Kazemi, das die gemeinsamen Lehrsätze von Islam und Buddhismus in Beziehung setzt und damit eine Basis herstellt für einen Vergleich und eine Analyse von metaphysischen Traditionen und philosophischen Studien.
In Großbritannien gibt es 2,7 Millionen Muslime und die Mehrheit lebt mit nicht-muslimischen Bürgern in Frieden zusammen. Überall treffen wir auf Muslime, schreibt Sangharakshita, und es dürfte schwierig sein, den Kontakt mit ihnen zu vermeiden, selbst wenn wir das wollten. Je mehr dieser Kontakt durch fundiertes Wissen über den Islam und seine Kultur geprägt ist, um so besser wird es für uns alle sein.
Während Shah-Kazemi nach einer gemeinsamen Grundlage für Islam und Buddhismus sucht, verfolgt die Regierung und die Armee des buddhistischen Myanmar weiterhin die Minderheit der islamischen Rohingya. In „Seeds of Peace“ (Mai/August 2018) schreibt Hozan Alan Senauke:
́Letzte Woche kam ich aus einem Flüchtlingscamp in Bangladesh zurück, in dem 700. 000 Menschen lebten, die aus Myanmar geflohen waren- aus einem Land, in dem der Buddhismus Staatsreligion ist- und die übergangsweise in einem unsicheren Exil in Süd-Bangladesh leben.
Die Rohingya sind eine muslimische ethnische Minderheit, die seit vielen Generationen in Myanmar gelebt hat. Die Wurzeln dieses Konfliktes sind komplex und strittig. Aber die bloße Anzahl der Rohingya, die leiden, ist jenseits aller Argumente und Rechtfertigungen.
Das Flüchtlingscamp war ein staubiges, scheinbar endlos sich ausbreitendes Gewirr von Zelten aus Plastikplanen und Bambusstöcken. Neben den schmutzigen Wegen verliefen offene Abwasserkanäle, die Flüchtlinge waren überall, unter ihnen eine große Anzahl von Kindern.
Mir wurde von niedergebrannten Dörfern berichtet, von unbeschreiblicher Gewalt, von Mord und Massenvergewaltigungen, Soldaten warfen Babies in die Flammen. Satellitenfotos zeigen die zerstörten Dörfer, aber nichts kann das Erleben der verängstigen und gebrochenen Menschen beschreiben, die ihrer Familien, ihres Landes und der Existenzgrundlage beraubt sind. Die Rohingya sprechen von „Buddhistischem Terror“,einer unheiligen Allianz der Armee von Myanmar, von Mönchen und Rakhine Buddhisten.
Es ist grausame Ironie, dass vor einer Dekade noch die buddhistische Welt Zeuge der „Safran Revolution “ war. Mönche und Nonnen (in ihren gelben Roben) drückten mutig die Gewehre und Bajonette der Militärs nach unten, sangen das Metta Sutta, die alten buddhistischen Verse, die von liebender Güte handeln und diesen Vers enthalten: „So wie eine Mutter ihr einziges Kind mit ihrem Leben bewacht und beschützt, so mögen wir mit grenzenlosem Geist alle lebenden Wesen wertschätzen und unsere Liebe über die ganze Welt ausbreiten.`

Eine kleine Buddhafigur aus Wiesbaden ist jetzt in Adhistana !

 
 
In Adhistana, an dem Ort, an dem das Herz von Triratna am lautesten schlägt, befindet sich seit dem 30. Oktober 2018 ein kleiner Buddha aus Holz von der Triratnagruppe Wiesbaden. Er steht jetzt in einer der vielen Nischen, die in die zentrale Wand des Schreinraums eingelassen sind und von hinten beleuchtet werden können, je nach Anlass auch in verschiedenen Farben. Jede Nische beherbergt eine Buddhafigur oder ein andere buddhistische Symbole, die von Triratnazentren aus aller Welt stammen, und die damit symbolisch mit Adhistana verbunden sind. Es war besonders berührend, dass ausgerechnet an diesem 30. Oktober, zwei Stunden bevor bevor Urygen Sangharakshita starb, dieser kleine Buddha in einer Weihungzeremonie seinen Platz gefunden hat.